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Beitrag vom 25.01.2008
MiLù – Longing speaks with many tongues
Silvy Pommerenke
Die ehemalige Leadsängerin von Mila Mar bringt ihr zweites Soloalbum heraus – dieses Mal in englischer und eigener Phantasie-Sprache. Sie wendet sich verstärkt einer fast meditativen Musik zu...
...und scheint damit endgültig zu ihrer Mitte gefunden zu haben.
Die Nahtoderfahrung der jungen MiLù, von bürgerlichem Namen Anke Hachfeld, ist in jedem ihrer Songs zu spüren: morbide Klänge, sphärische Nuancen, transzendentale Arrangements. Als ABC-Schützin musste sie sich einer Operation unterziehen, nach der sie ins Koma fiel und einige Sekunden zwischen Leben und Tod schwebte. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie beschreibt ihre Erfahrung, knapp zwanzig Jahre nach diesem einschneidenden Erlebnis, dass sie in einer Art körperlosen Schwerelosigkeit dem Ringen des medizinischen Personals um ihr Leben zusah und in ein sehr helles, energetisches Licht blickte.
Der Weg zurück ins reale Leben war wie eine zweite Geburt, und begleitet die Musikerin, wenn auch nicht tagtäglich, so jedoch in ihrem Unterbewussten immerzu. Diese Erfahrungen durchleben nur wenige Menschen, so dass es nur schlüssig scheint, wenn sich die Mittdreißigerin einer eigenen musikalischen Sprache bedient.
Begonnen hatte die Frau 1994 als Leadsängerin der Göttinger Band Mila Mar, die mit düsteren und gruftigen Songs ihre Fans eroberte, und die starke Analogien zu "Dead Can Dance" aufwies. Das Quartett veröffentlichte bis 2003 vier Alben zusammen und setzte sich in der Initiative
"Schwarz statt braun – Gruftis gegen Rechts" ein. Es folgten verschiedene Kooperationen mit Schiller, der mehr Elektro in ihre Songs brachte, und der Track "Mein Kind" ist von ihr auf dem Else Lasker-Schüler Projekt zu finden. Vor drei Jahren, 2005, brachte MiLù ihr erstes Soloalbum "No Future in Gold" auf den Markt, das komplett in deutscher Sprache eingesungen war. "Mein schönster Fehler", wie sie selbst eingesteht. Aber wenn Fehler so gut klingen, dann sollten mehr Menschen welche begehen!
Anspieltipps: "Swan" ist einer der schönsten Songs von "Longing speaks with many tongues", bei dem die Stimme von MiLù fragil und brüchig klingt und damit unweigerlich große Emotionen wachruft. "Warm" ist großformatig und mit vielen Streichern angelegt und mit einer wunderbaren Melodie unterfüttert. Das (vermeintlich) letzte Stück des Albums, "Nacht", dürfte eines der sparsam arrangiertesten Stücke der CD sein. Lediglich von einem Klavier begleitet lässt MiLù mit Alt-Stimme eine Gänsehaut beim Zuhören entstehen, die auch nach etlicher Zeit nicht weggeht. Bis sich dann zu guter Letzt noch ein hidden-track vorfindet, auf dem die Sängerin in einen Sprachduktus verfällt und erneut die Härchen auf den Unterarmen zum Hochschnellen bringt.
MiLù im Netz: www.milu-cat.de und auf MySpace
Weiterhören: Lisa Gerrard und Loreena Mckennitt
AVIVA-Tipp: Die Frau mit einem Stimmumfang von vier Oktaven überzeugt durch ihre Hinwendung zum Purismus. Sparsam instrumentiert, mit subtilen Melodien, steht das Hauptaugenmerk auf ihren Vocals, die nicht passender sein könnten als für dieses ungewöhnliche Genre von Musik: einem TripHop-Folk-Ethno Crossover.
MiLù
Longing speaks with many tongues
Label: Premium (Soulfood Music), Januar 2008